|
|
24.04.2003 Magdeburg, News: PDS stellt
Teile eines neuen Flugplatzkonzeptes aus privater Hand vor /
Kernbotschaften: weniger Aufwand, weniger Personal, weniger
Subvention Privater Flugbetrieb zum halben Preis?
| |
|
|
|
|
| Altstadt/Beyendorfer Grund - Der Streit um die Zukunft des
Magdeburger Flugplatzes erhält neue Nahrung. Der Ausbau samt
B71-Verlegung und 1800-Meter-Landebahn ist beschlossene Ratssache.
Gebaut wird dennoch bis auf weiteres nicht - die Fördermittelgeber
der Landesregierung haben dieser Tage eher Cochstedt am Hals als
Magdeburg im Sinn. In die Lücke zwischen Ausbaubeschluss und
Ausbaufortgang stößt ein privates Flugplatzbetreiberkonzept mit der
Behauptung: Magdeburgs Flugplatz, aktuell ein deftiges
Zuschussgeschäft, lässt sich weit wirtschaftlicher betreiben.
Das Land hat bis heute nicht entschieden, ob es den Ausbau des
Magdeburger Flugplatzes fördern oder auf Cochstedt setzen will. Der
PDS-Vorschlag zur privaten Betreibung des Flugplatzes Süd bei weit
geringerer Subvention zielt auf die Zementierung der kleinen
Landeplatz-Variante ab, kein Ausbau. Archivfoto: V. Kühne Für
knapp eine Million Euro bekam der Magdeburger Flugplatz 1999 ein gläsernes
Terminal zur Passagier-Abfertigung hingesetzt - in den sprichwörtlichen
Sand gesetzt, meinen Kritiker. Flugbewegungen und Passagierzahlen
sind rückläufig, das Terminal ist überwiegend verwaist.
Ausbaufreunde argumentieren: Angebot schafft Nachfrage - könnten in
Magdeburg erst größere Maschinen auf längerer Bahn landen, dann würden
die derzeit weit im Minus liegenden Fluggeschäfte besser florieren.
Ausbaugegner halten die Argumentation mangels Bedarf angesichts
funktionierender Flughäfen in Halle/Leipzig oder Hannover für
blanke Augenwischerei.
|
|
OB will Konzept prüfen Gelassener Flughafenchef Nebenjobs in
Cochstedt
|
|
Etwas eigenartig war sie schon, die Veranstaltung, zu der
Hans-Werner Brüning, PDS-Fraktionschef im Stadtrat, am Dienstagabend
in den Rathaussaal einlud. Erstens, weil Publikum nur sehr
ausgewählt eingeladen worden war: Ratsfraktionen und Ausbaugegner
der Bürgerinitiative für Alternativen zum Flugplatzausbau. Und
zweitens: Weil der, der sich da um den Flugplatzbetrieb bewerben
will, nicht selbst erschien, um sein Konzept zu präsentieren. Er
ließ viel mehr Hans-Werner Brüning den Vortritt, eine Ansprache mit
Teilen seines Konzeptes vorzutragen, als "politischer Initiator",
wie Brüning sich selbst nannte.
Hintergrund: Bereits vor
eineinhalb Jahren hatte die PDS einen Antrag im Stadtrat
eingebracht, der die Ausschreibung der Flugplatzbewirtschaftung in
Magdeburg forderte. Derzeit betreibt eine rein städtische
Gesellschaft die Geschäfte. Und die laufen in jüngster Zeit eher
schlecht als recht; satte Zuschüsse inklusive (siehe Infokasten).
Die PDS scheiterte im Rat mit ihrem Antrag. "Aber wir hatten ein
Echo", berichtet Brüning. Es meldeten sich Interessenten, die sich
an so einer Ausschreibung sehr gerne beteiligt hätten. "Mit einem
waren wir gemeinsam beim OB", informierte Brüning weiter. Das ist
schon fast ein Jahr her. Der OB forderte ein Konzept vor weiterer
Gesprächsbereitschaft.
Das Konzept liegt vor, seit März auch
beim OB. Das OB-Büro, Lutz Trümper selbst weilt im Urlaub,
bestätigte gestern auf Nachfrage den Eingang. "Aber das sind ja erst
mal Behauptungen, die da drin stehen. Der OB will sie von
unabhängiger Stelle prüfen lassen", verlautbarte Christian Ruddies,
persönlicher OB-Referent.
Was also steht drin, im Konzept?
Der Ausriss, den Brüning davon im Ratssaal präsentierte, lässt sich
etwa so zusammenfassen: Weniger Personal (statt 14 maximal 5
Angestellte); weniger Material- und Betriebskostenaufwand; mehr
Service für Privat- und kleine Geschäftsflieger, Konzentration aufs
Kerngeschäft (die Flughafen GmbH ist auch Geschäftsflächenvermieter
und -bewirtschafter) - macht statt rund 1,5 Millionen Euro
Gesamtaufwand aktuell, nur noch rund eine Million Kosten künftig bei
noch dazu wachsenden Einnahmen zum Beispiel aus einem belebteren
Rundfluggeschäft.
Brünings Fazit: Ein kleiner, aber feiner
Sport- und Geschäftsflughafen befriedigt den Bedarf allemal, und er
würde der Stadt zudem weit weniger auf der Tasche liegen -
verabschiedete sie sich von ihren Ausbauplänen und der auf Expansion
ausgerichteten eigenen Gesellschaft.
"Nichts Neues",
kommentierte der Grünen-Fraktionschef Alfred Westphal trocken und
räumte noch während Brünings Ausführungen den Saal. Für die FDP
verfolgte deren Fraktionsgeschäftsführer Manfred Buller Brünings
Internet-animierte Präsentation - sie riss ihn, obwohl wie Westphal
ausbaugegnerisch gestimmt, auch nicht gerade vom Stuhl. CDU, SPD und
Bund für Magdeburg - die ausbaufreundlichen Fraktionen - hatten erst
gar keine Abgesandten geschickt. Ein deutliches Signal: Die
Ratsmehrheit will keine preiswertere, kleine Alternative, sie will
große Brötchen - den Ausbau also.
"Mich begeistert die Idee
nur zum Teil", bekannte selbst Konrad Ludwig von der
Bürgerinitiative für Alternativen zum Flugplatzausbau. "Für Anwohner
bedeutet eine Belebung des Sport- und kleinen Geschäftsflugverkehrs
eine höhere Belastung. Verglichen mit den Ausbauplänen und Charter-
und Linienverkehr ist das aber das kleinere Übel."
Allerdings: Brüning deutete am Rande an, dass auch "sein"
Privatmann Ausbaupläne für die Landebahn erwägt - gen Osten, in
Richtung Wohnbebauung also. Die alten, weit gewaltigeren Ausbaupläne
zielen gen West, wofür die B71 weichen müsste - was teuer ist, aber
den Sport und Kleinflugverkehr von der Wohnbebauung sogar abrückt.
Peter Fechner, Geschäftsführer der städtischen Flughafen
GmbH, blickt der Prüfung des Gegenkonzeptes zur eigenen
Betriebsführung gelassen entgegen: "Grundsätzlich geht es um die
Zielstellung. Ich habe den städtischen Auftrag, in Magdeburg einen
Businessairport aufzubauen, eine funktionierende Luftanbindung, das
ist Mehrheitsbeschluss im Stadtrat." Fechner will gar nicht
bestreiten, dass ein kleiner Sport- und Privatflugplatz preiswerter
und mit weniger Personal zu betreiben ist. Magdeburg hat 14
Angestellte, Flugplätze vergleichbarer Größe kommen mit drei bis
fünf aus. "Aber wir haben eine andere Zielvorgabe, und an der richte
ich mich aus, schule dafür meine Mitarbeiter, damit der Einstieg
reibungslos funktioniert."
Dass die Magdeburger Gesellschaft
schon für weit größere Brötchen gestrickt ist, als sie jetzt auf dem
Magdeburger Flugplatz gebacken werden können, das beweisen die
Dienste, die sie künftig in Cochstedt anbieten wird. Damit auf dem
dortigen Pleite-Airport absehbar überhaupt wieder jemand landen
kann, soll noch in diesem Jahr Personal aus Magdeburg die Anflieger
gen Boden lotsen. Gegen Bares vom Land. 40000 Euro pro Monat sind im
Gespräch. "Da können wir den städtischen Zuschuss minimieren", freut
sich Fechner über den "Nebenjob" für seine offenbar
unterbeschäftigten Leute.
Fechner setzt weiter auf Ausbau,
Ratsmehrheiten aus CDU und SPD und der OB ebenso - zumindest solange
das Land nicht endgültig eine Fördermittelabfuhr erteilt und dem
bereits ausgebauten Millionengrab Cochstedt Vorrang beim
(geförderten) Wiederbelebungsversuch einräumt. Dagegen rennt im
Landtag eine Magdeburger Ausbau-Lobby unter den Christdemokraten an.
Erst zum Jahresende will das Verkehrsministerium sein
Luftverkehrskonzept vorlegen, zuvor wird weltweit ein neuer
Betreiber für Cochstedt gesucht. Das Pokern um Magdeburgs Ausbau
geht weiter. Ausgang offen.
Entwicklung des Flugbetriebes
in Magdeburg (Sport- und kleiner Geschäftsflugverkehr):
1999
2000
2001
2002
Flugbewegungen:
21.636 21.254
19.920 ca. 19.000 Fluggäste:
39.015 34.293
32.216 ca. 28.000 Umsatzerlöse (in
DM): 412.000
379.000 324.000
(aus Flugbetrieb)
Zuschüsse: 2002: subventionierte die Stadt den
Flugplatzbetrieb mit 719600 Euro; der Haushaltsplan 2003 weist einen
Zuschuss von 751800 Euro aus. Bis 2005 rechnet die Stadt mit
steigenden Zuschussraten, nach einem Ausbau der Landebahn aber
sollen sie mit dem dann erwarteten florierenderen Geschäftsbetrieb
sinken (auf rund 350000 Euro bis 2010).
Ausbau:
Ursprünglichen Planungen zufolge sollte bereits ab 2003 ein
Linienverkehr nach München, Frankfurt, Stuttgart und Köln/Bonn
aufgenommen werden. Touristenverkehr mit Charterflügen zu
Mittelmeerzielen ist ab 2006 geplant (Maschinen mit bis zu 99
Plätzen). Die derzeit 1000 Meter lange Start- und Landebahn lässt
nur Sport- und kleinen Geschäftsflugverkehr zu. Ab 2005 greifen
EU-Richtlinien, die z. B. für zweimotorige Maschinen mit max.
Startgewicht von 5,7 Tonnen (neun Passagiere) längere Bahnen
fordern. Ziel des aktuellen Flugplatz-Ausbaukonzeptes ist deshalb
der Ausbau der Bahn auf 1800 Meter gen Westen (B71-Verlegung), um
eine funktionierende Fluganbindung in erster Linie für den
Geschäftsflugverkehr zu erhalten. Kosten: rund 14 Millionen Euro.
Ein privates Flugplatzbetriebskonzept rückt von den
Ausbauplänen ab. Als kleiner Sport- und Privatflugplatz könnte der
Magdeburger Landeplatz mit weniger Personal (derzeit 14 Angestellte)
und geringeren Betriebskosten um etwa 500000 Euro preiswerter
betrieben werden, verspricht der Interessent. Der OB will das
Konzept von unabhängigen Gutachtern prüfen lassen. (VS) |
|
|
|
Kommentar
der Volksstimme von Katja Tessenow:
Das Thema
Flugplatzausbau erhitzt seit beinahe zehn Jahren die Magdeburger
Gemüter. Die der Flugplatzanwohner, die der Wirtschaftslobbyisten,
die der Grün-Ökologen, die der kühlen Rechner. Was geht noch
inmitten des Flughafen-Dreigestirns Leipzig, Berlin, Hannover? Das
Millionengrab Cochstedt noch dazu direkt vor Augen. Oder: Was braucht
die Stadt in Verlängerung roter Teppiche für Investoren, die lieber
geflogen als gefahren kommen? Eine Glaubensfrage. Kommen die
Flieger mit der ausgebauten Bahn? Und wo eigentlich und mit wem an
Bord? Gutachterliche Gretchenfragen, wie sie schon in Sachsen
Elbeausbau inflationär gestellt - und nicht klar beantwortet werden
konnten. Währenddessen sitzt auf dem halbausgebauten
Flugplatz eine überdimensionierte (und teuer bezahlte) städtische
Mannschaft, deren Hauptaufgabe weitgehend darin besteht, mit quasi
körperlichem Vorhandensein die Ausbauvision am Leben zu erhalten. So
ein Luxus ist zweifelhaft in Zeiten, in denen schon gar nicht
Luxuriöses wie etwa Bibliotheken Geld fehlt.
| |