Flughafen Cochstedt | |
Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung (MDZ) vom 23. August 2001 (Hinweis: MDZ zu erreichen unter: www.mz-web.de) |
Trudelnde Hoffnungen |
Was Perspektive geben sollte, droht Betrug zum Opfer zu fallen |
Von Lars Geipel |
Cochstedt/MZ. Es war ein Hoffnungsschimmer für eine ganze Region, einer Region mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten Deutschlands - ein Traum von 1000 Arbeitsplätzen und Investitionen in Milliardenhöhe. Doch inzwischen sind sowohl die verantwortlichen Hauptakteure als auch die Menschen vor Ort wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Eines der größten Prestigeobjekte des Landes und des Landkreises Aschersleben-Staßfurt ist abgestürzt. In Cochstedt steht ein hochmoderner Flughafen, 120 Millionen Mark teuer, 90Millionen davon stammen aus Fördertöpfen das Landes. Doch große Cargo-Flugzeuge starten und landen hier nicht. Und von Milliarden privater Investitionen und von vielen Arbeitsplätzen fehlt auch jede Spur. Wer weiß, was passiert wäre, wenn 1995 ein gewisser Jörg Bartholomäus, Chef eines Ingenieurbüros in Augsburg, nicht mit Friedrich Buchmann, Mitarbeiter der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung des Landkreises (GfW) nach Cochstedt gefahren wäre. Dann hätte er den ehemaligen Flugplatz der sowjetischen Streitkräfte, der 1958 in Betrieb genommen worden war, nie gesehen. Dann würde mit Sicherheit auch nicht wegen des Verdachtes des Subventionsbetrugs gegen ihn ermittelt, und viele Menschen könnten jetzt viel ruhiger schlafen. Doch Friedrich Buchmann ist mit Jörg Bartholomäus zum Flugplatz Cochstedt gefahren. Und der clevere Geschäftsmann, der bereits am Schkeuditzer Gewerbepark des Flughafens Leipzig/Halle erfolgreich beteiligt gewesen ist, fand Gefallen an dem Gelände. Dank seiner Überzeugungskraft, Begeisterungsfähigkeit und Energie hatte Bartholomäus im Landkreis schnell einen Partner für seine Idee gefunden - den Aufbau eines Gewerbeparks mit angrenzendem Flugplatz. So wurde noch im Sommer 1995 ein Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Parteien geschlossen. Mit großem Engagement und viel Geld aus seinem Privatvermögen - Insider schätzen die Summe auf knapp zwei Millionen Mark - machte sich Bartholomäus an die Arbeit. Mit drei Millionen Mark Fördermitteln konnten schnell die Altlasten entsorgt und ein Teil der Infrastruktur entwickelt werden. Obwohl die Landesregierung trotz anfänglicher Ablehnung (im September 1994 hatte Ministerpräsident Reinhard Höppner noch von einer "Spinnerei von ein paar Leuten" gesprochen) urplötzlich das Projekt unterstützte (Höppner im Oktober 1995: "Da wollen wir ran."), drohte wenig später alles im Sande zu verlaufen. Es gab großen Ärger mit dem Kauf der Flächen von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG), die viel mehr forderte als kurz zuvor abgesprochen. Probleme bereitete Jörg Bartholomäus auch die Suche nach einem Investor. Bis Anfang 1997 war noch nichts geschehen. "Bartholomäus stand unter Zeitdruck. Er hatte kaum finanzielle Mittel mehr und brauchte dringend einen Geldgeber", weiß ein damaliger enger Vertrauter. In seiner Not geriet Bartholomäus, der in Leipzig geboren und in den achtziger Jahren nach kurzer Haft vom Westen freigekauft wurde, an die "falschen Partner". Bis zum Spatenstich wechselten des öfteren Hausbanken und potenzielle Investoren. Trotz der Schwierigkeiten machte sich Bartholomäus mit dem Konzept, das von ihm gemeinsam mit dem Landkreis erarbeitet wurde, zum Wirtschaftsministerium auf. "Wir haben das Papier durch eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abklopfen lassen", erklärt Jeannine Kallert, Pressesprecherin des Wirtschaftsministeriums. "Das ist das übliche Verfahren." |
Die Experten befanden das Konzept, das eine Flughafenentwicklungsgesellschaft (FE) und eine Harz-Börde-Flughafen Betreibergesellschaft (HBG) vorsah, für gut. Die FE, eine rein private Gesellschaft, die Bartholomäus gehörte, sollte sich um die Vermarktung der Gewerbeflächen kümmern und den Betrieb der HBG so lange finanziell sicherstellen, bis der Flughafen schwarze Zahlen schreibt. Die HBG, an der die kommunale Hand zu 51 Prozent und die FE zu 49 Prozent beteiligt ist, sollte für den Betrieb und die technische Ausrüstung des Flughafens zuständig sein. Da außerdem eine vorläufige Zusage einer Bank vorlag, gab es vom Land Mitte 1997 auch den begehrten Fördermittel-Bescheid.
Ende 1997 war es für Bartholomäus endlich soweit: Am 22. November 1997 erfolgte der Spatenstich für das Prestige-Projekt - und das mit Segen höchster Prominenz. Ministerpräsident Höppner und Innenminister Manfred Püchel (beide SPD) nahmen daran teil.
Was danach passierte, versucht derzeit die Magdeburger Staatsanwaltschaft aufzuklären. Fakt ist: "Es lief alles drunter und drüber", so ein Insider der HBG, der damals vor Ort war. Investoren sprangen ab, neue kamen und gingen wieder. "Bartholomäus konnte keine Flächen im Gewerbepark verkaufen. So waren fast ausschließlich Fördermittel da."
Auch betriebsintern gab es große Probleme. Nach heutigen Erkenntnissen muss es "zu schwerwiegenden Versäumnissen gekommen sein, die mit einer hochgradig entwickelten kriminellen Energie gekoppelt waren. Perfekter Nährboden für Wirtschaftsbetrug", erklärt ein Mitarbeiter der Landesregierung. So soll ein Investor von Bartholomäus 2,5 Millionen Mark abgezockt haben. Bartholomäus selbst steht im Verdacht, sich für 500000 Mark aus Steuergeldern eine Yacht gekauft zu haben.
1998 wurde auch das Landesförderinstitut (Lfi) aufmerksam auf die Unregelmäßigkeiten. Daraufhin wurde im Mai 1999 bei der Magdeburger Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Der Verdacht gründete sich darauf, dass Rechnungen, die als bezahlt eingereicht worden, erst im Nachhinein aus Fördermitteln bezahlt wurden.
Bartholomäus war damals praktisch pleite - kein Investor, kein Geld, keine Zukunft. "Das Projekt stand vor dem Aus", weiß der Mitarbeiter der Landesregierung. Erst ein Konsolidierungskonzept im Juni 1999 von Betreibern, Entwicklern, Gläubigern, Banken und Wirtschaftsministerium brachte den Durchbruch. Die Zukunft des Flughafens war gesichert. Pech hatte dagegen Jörg Bartholomäus: Er musste gehen und sitzt heute wegen des Verdachtes auf Steuervergehen in Augsburg in Untersuchungshaft. Der ehemalige Self-Made-Millionär hat inzwischen alles verloren - sein Haus, sein Vermögen und seine Frau.
Für Cochstedt lief es nach dem radikalen Schnitt besser. Doch die Flughafenentwicklungsgesellschaft schaffte es nicht, in den nächsten zwei Jahren auch nur einen einzigen Investor an Land zu ziehen. Damit die Betreibergesellschaft HBG überhaupt finanziell überleben konnte, kaufte der Grundstücksfonds Sachsen-Anhalt zehn Prozent der Flächen auf dem Gewerbegebiet auf. Doch selbst das reichte nur bis Mai dieses Jahres. Danach wurde das Geld für die Betreibergesellschaft erneut knapp.
Daraufhin riss Wirtschaftsministerin Katrin Budde (SPD) der Geduldsfaden. Sie stoppte die weiteren Fördermittel für den Flugplatzbau. Erst eine Zwei-Millionen-Mark-Spritze des Landkreises sicherte die Zukunft der HBG wenigstens noch bis Jahresende.
Derzeit geht das Pokerspiel um das "Schnäppchen" Flugplatz Cochstedt in die heiße Phase. Die FE hat den Flughafen an die Cargo24Hub AG aus Hamburg für 55,3 Millionen Mark verkauft. Ein Gericht soll das Geschäft gestoppt haben. Außerdem droht der FE die Insolvenz. Dem Unternehmen wurde bereits ein rechtsgültiger Vollstreckungsbescheid übergeben.