Stillegung Mitteldeutsche Zeitung vom 17.01.2002
Mahnwache für Flughafen in Cochstedt
Belegschaft demonstriert vor dem Landtag in Magdeburg
Von Hajo Krämer

Magdeburg/MZ. "Das gibt's ja wohl nicht!" Rene Brandes schaut entgeistert der Limousine des Ministerpräsidenten Reinhard Höpnner (SPD) hinterher. "Der ist nicht mal ausgestiegen. Kein einziges Wort zu uns", empört sich der Betriebsrat-Sprecher des stillgelegten Flughafens Cochstedt (Landkreis Aschersleben-Staßfurt).

Mit 30 seiner seit Jahresanfang frei gestellten Kollegen ist er vor den Magdeburger Landtag gezogen, um mit einer Mahnwache den Parlamentariern "die dramatische Situation" der insolventen Flughafen-Betreibergesellschaft klar zu machen. Die Feuerwehrleute und Flugleiter buhen Höppner hinterher. "Beim Spatenstich in Cochstedt hat er vor Jahren noch große Reden geschwungen", zischt Brandes. "Jetzt will er davon nichts mehr wissen." Dabei habe das Land dort 45 Millionen Euro Fördermittel versenkt. Aus einem Autolautsprecher tönt die Film-Musik "Spiel mir das Lied vom Tod".

Andere Politiker sind zu einem kurzen Gespräch bereit. Verkehrsminister Jürgen Heyer (SPD) wird sofort dicht umdrängt. Sein Vorstoß, den gescheiterten "Gewerbepark mit angeschlossener Landebahn" zum Regionalflughafen für den Großraum Magdeburg zu machen, ist für die Cochstedter ein Hoffnungsschimmer.

"Es ist völlig illusorisch, so einen Flugplatz ohne Betriebskostenzuschuss kostendeckend betreiben zu können", erklärt Heyer denn auch und versichert, zwischen Ascherslebens Landrat Thomas Leimbach (CDU) und Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) "zu moderieren". Heyers Ziel: "Cochstedt weiter zu führen statt den Flugplatz Magdeburg-Süd mit 25 Millionen Euro Landesmitteln auszubauen", wie es die Landeshauptstadt plant. "Wir versuchen, bis Ende Januar eine Regelung hinzukriegen", ruft Heyer.

Doch dann verschlagen ihm die Neuigkeiten, die ihm die Cochstedter um die Ohren hauen, die Sprache. Vor zwei Tagen hat ihnen der Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass sie Ende Februar gekündigt sind, wenn bis dahin kein Investor gefunden ist. Und nach dem wird seit Jahren vergeblich gesucht. Die Feuerwehrautos hätten die Gläubigerbanken schon abtransportieren lassen. Magdeburg habe schon Interesse an den Navigationsanlagen angemeldet. Das Dach des neuen Abfertigungsgebäudes weise Sturmschäden auf - die zuständige Baufirma gibt es nicht mehr, weil das Land die Zahlung der Fördermittel eingestellt hat. Und seit zwei Wochen sichern die Kumpels freiwillig und unentgeltlich den leeren Flugplatz gegen Zerstörung. "Ab heute ist damit Schluss", teilt Brandes dem ahnungslosen Verkehrsminister mit. "Noch nicht mal eine Bezahlung auf 315 Euro-Basis haben wir erreichen können."

Detlef Gürth, verkehrspolitischer Sprecher der oppositionellen CDU-Fraktion, ist erschüttert. "Es wird immer verrückter. Dabei wissen Vertreter von Wirtschafts- und Verkehrsministerium seit Dezember, dass die Sicherung des Flugplatzes völlig ungeklärt ist", wirft der Abgeordnete aus Aschersleben ein. Es werde immer fraglicher, den Flugbetrieb überhaupt je wieder aufnehmen zu können.

Die begehrten Fluglotsen sind schon in Westdeutschland und etliche der Cochstedter Belegschaft werden ihnen wohl bald folgen. Wie Thomas Maas aus Egeln, Kommunikationselektroniker und bisher Verkehrsleiter in Cochstedt. "Wenn das Projekt scheitert, hat sich Sachsen-Anhalt und der Osten für mich erledigt", sagt der 38-Jährige. Auch Rene Brandes will sich dann "in Richtung Frankfurter Flughafen absetzen". Und Elektronikingenieurin und Flugleiterin Gabriele Renner, die ihre Heimat Dresden gegen Magdeburg tauschte, sieht "keine Chance, hier einen Job zu finden". Heute will sich der Verkehrsausschuss noch einmal dem Thema Cochstedt widmen. Kein wirklicher Trost für die Demonstranten.