Ein
Jahr lang hat Elektromeister Schulze mit seiner Firma den
Flughafen Cochstedt verkabelt. Auf den Lohn für seine
Arbeit wartet er bis heute. Und mit ihm warten 14 weitere
Handwerksbetriebe auf insgesamt 2,9 Millionen Mark.
Schulzes Firma droht das Aus.
Und dabei war er stolz, an einem so großen öffentlichen
Objekt mitzuarbeiten.
Hans-Herrmann Schulze
Handwerker
‚Ich sage Ihnen so – diese Ehre, da hätte ich
drauf verzichtet. Wenn ich das vorher gewusst hätte, denn
damit hab ich praktisch die Existenz meines Unternehmens
leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Aber die Politik, das hat
sich nach außen immer so dargestellt – als ob ein
Unternehmen unter der Schirmherrschaft des Landes steht.
Da haben wir keine Bedenken gehabt."
Das Land Sachsen-Anhalt hat die Fördermittel für
Cochstedt gestoppt. Die Investoren, auf die man gesetzt
hatte, sind nicht gekommen. Die
Flughafen-Entwicklungsgesellschaft hat Insolvenz
angemeldet, die Staatsanwaltschaft ermittelt sogar wegen
Subventionsbetrugs. Ist das Land nur auf windige
Versprechungen reingefallen? Tatsächlich beginnt die
Misere schon in der Planungsphase.
Rückblick, 1997. Spatenstich für das Prestigeobjekt der
Landesregierung, unterstützt mit rund 83 Millionen Mark.
Fördergelder für ein ‚Gewerbegebiet mit Landebahn‘,
so die offizielle Bezeichnung. Von einem richtigen
Flughafen redet da noch keiner. Aus gutem Grund: Denn das,
so ergeben Recherchen, schloss die Koalitionsvereinbarung
der rot-grünen Minderheitsregierung damals aus. Dort heißt
es:
„Die Koalition lehnt einen Großflughafen in
Sachsen-Anhalt ab und fördert keine Regionalflughäfen.“
Karl-Heinz Daehre
verkehrspolitischer Sprecher der CDU
"Nun war man sich sicherlich darüber einig, dass
man gesagt hat, man muss da einen anderen Dreh finden. Und
den anderen Dreh hat man gefunden indem man gesagt hat,
jetzt machen wir ein Gewerbegebiet, das wird vom
Wirtschaftsministerium gefördert, hier erst mal
Industrieansiedlung, dann die gewerbliche, die rein
gewerbliche Nutzung, und nebenbei hat man dann eben diese
Landebahnen mitentwickelt. So. Und das war genau der
falsche Weg. Dadurch hat man nicht klar auf einem Konzept
gesagt wir wollen einen Regionalflugplatz und dann muss
sich alles drum herum entwickeln."
Eigentlich hätte man also nie Geld für einen normalen
Passagier-Flughafen bewilligen dürfen. Tatsächlich steht
in Cochstedt heute ein fast fertiges Terminal, sogar
Restaurants könnten hier einziehen. Ein Gewerbegebiet
dagegen gibt es nicht. Entstanden ist ein mittelgroßer
Flughafen, auf dem auch große Passagierflugzeuge landen können.
Doch die sind bislang ausgeblieben. Die Fluglotsen von
Cochstedt haben nicht viel zu tun.
Fluglotse
"Linienverkehr in dem Sinne - nein, das ist alles
Gelegenheitsverkehr."
Besonders paradox: nur eine halbe Stunde entfernt von
Cochstedt ein weiterer Flughafen, ebenfalls mit
Landesmitteln gefördert - der Flughafen Magdeburg. Auch
hier ist alles klar für die Abfertigung von Passagieren,
auch hier fliegt kaum jemand. Trotzdem - Die Stadt will
weiter ausbauen.
Lutz Trümper
Oberbürgermeister Magdeburg, SPD
"Also bisher sind bisher sind meines Wissens hier
ungefähr 20 Millionen verbaut worden. Gefördert auch
durch das Land. Und die nächste Ausbaustufe, die jetzt
anstehen würde, würde 25 Millionen Euro kosten, das heißt
50 Millionen DM. Und davon wird ein Teil durch das Land
gefördert, wenn das Land dem zustimmt. Ungefähr 9
Millionen Euro."
Wieder Millionen Fördermittel für einen Airport. Und
dabei ist Sachsen-Anhalt auch noch am Großflughafen
Halle/Leipzig beteiligt, nur 50 Autominuten von Magdeburg
entfernt. Trotzdem flossen über Jahre öffentliche Gelder
nach Cochstedt. Das Wirtschaftsministerium hat gezahlt und
gibt sich vom Ergebnis jetzt selbst überrascht.
Manfred Maas
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, FDP
"Zum damaligen Zeitpunkt ist die Entscheidung
getroffen worden, ein Gewerbegebiet mit flughafen-affiner
Ansiedlung und Verkehrslandemöglichkeit zu schaffen. Es
hat nie in Rede gestanden, einen Flughafen zu fördern,
weil entsprechende Konzeptionen nicht auf dem Tisch
lagen."
Das Verkehrsministerium hat nicht gezahlt, findet das
Ergebnis aber ganz in Ordnung.
Jürgen Heyer
Verkehrsministerium
"Wir haben das gemacht und so machen sie das immer
mit der Verkehrsinfrastruktur. Auch wenn sie die
erwarteten Zahlen nicht so schnell kriegen, machen sie ein
Angebot an die Bevölkerung und an die Wirtschaft, dass
sie eine Verkehrsinfrastruktur vorhaben, wahrnehmen
kann."
Für 80 Millionen ein Gewerbegebiet ohne Gewerbe, ein
Flughafen ohne Flugzeuge. Den tatsächlichen Bedarf an
Airports kennt in Sachsen-Anhalt keiner. Schon seit 1998
verspricht der zuständige Minister ein
Luftverkehrskonzept.
Jürgen Heyer
Verkehrsminister
"Innerhalb der Legislaturperiode haben wir gesagt
und das heißt also bis zur Wahl. – Also Sie haben noch
wie viele Monate Zeit? - Das können Sie sich selbst
ausrechnen."
In spätestens 5 Monaten soll nun endlich ein Konzept auf
dem Tisch liegen, das schon seit Jahren fällig ist. Der
Bund der Steuerzahler kritisiert seit langem die
Planlosigkeit der Landesregierung.
Helga Elschner
Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt
"Das Luftverkehrskonzept fehlt, und es fehlt
meiner Meinung nach auch die Abstimmung zwischen den
einzelnen Ministerien. Denn sonst wäre doch diese
Situation überhaupt nicht entstanden. Denn die Förderung
hier ist ja durch das Wirtschaftsministerium passiert. Und
die haben eben nur ihr eigenen Bereich gesehen, und die
haben nicht sozusagen die konzeptionelle Entwicklung im
Flughafenbereich gesehen."
Sachsen-Anhalt, eines der ärmsten Bundesländer
Deutschlands leistet sich demnach Flughäfen, ohne vorher
zu prüfen, ob sie wirklich gebraucht werden.
Helga Elschner
"Offensichtlich ist es in Sachsen-Anhalt so, dass
nur jemand kommen muss, der mit möglichst vielen
Arbeitsplätzen winkt, der möglichst gut auftraten kann,
der erzählt, was man alles machen könnte, und nichts
dahintersteht, dann bekommt man in Sachsen-Anhalt
offensichtlich sehr schnell und sehr viele Fördermittel."
Übrigens: das Land könnte sich durchaus noch einen
Flugplatz vorstellen. Sachsen-Anhalt macht sich stark für
den Großflughafen Stendal, falls aus dem Airport
Berlin-Schönefeld nichts wird. Wenn man schon von
Cochstedt aus nicht in die Welt fliegen kann, dann
vielleicht von Stendal.
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