Sendung im MDR-Magazin "WIR" am 13. November 2001

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Flughafen   Flughafen Cochstedt - Millionen in den Sand gesetzt

   

Ein Jahr lang hat Elektromeister Schulze mit seiner Firma den Flughafen Cochstedt verkabelt. Auf den Lohn für seine Arbeit wartet er bis heute. Und mit ihm warten 14 weitere Handwerksbetriebe auf insgesamt 2,9 Millionen Mark. Schulzes Firma droht das Aus.
Und dabei war er stolz, an einem so großen öffentlichen Objekt mitzuarbeiten.

Hans-Herrmann Schulze
Handwerker
‚Ich sage Ihnen so – diese Ehre, da hätte ich drauf verzichtet. Wenn ich das vorher gewusst hätte, denn damit hab ich praktisch die Existenz meines Unternehmens leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Aber die Politik, das hat sich nach außen immer so dargestellt – als ob ein Unternehmen unter der Schirmherrschaft des Landes steht. Da haben wir keine Bedenken gehabt."

Das Land Sachsen-Anhalt hat die Fördermittel für Cochstedt gestoppt. Die Investoren, auf die man gesetzt hatte, sind nicht gekommen. Die Flughafen-Entwicklungsgesellschaft hat Insolvenz angemeldet, die Staatsanwaltschaft ermittelt sogar wegen Subventionsbetrugs. Ist das Land nur auf windige Versprechungen reingefallen? Tatsächlich beginnt die Misere schon in der Planungsphase.

Rückblick, 1997. Spatenstich für das Prestigeobjekt der Landesregierung, unterstützt mit rund 83 Millionen Mark. Fördergelder für ein ‚Gewerbegebiet mit Landebahn‘, so die offizielle Bezeichnung. Von einem richtigen Flughafen redet da noch keiner. Aus gutem Grund: Denn das, so ergeben Recherchen, schloss die Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Minderheitsregierung damals aus. Dort heißt es:

„Die Koalition lehnt einen Großflughafen in Sachsen-Anhalt ab und fördert keine Regionalflughäfen.“

Karl-Heinz Daehre
verkehrspolitischer Sprecher der CDU
"Nun war man sich sicherlich darüber einig, dass man gesagt hat, man muss da einen anderen Dreh finden. Und den anderen Dreh hat man gefunden indem man gesagt hat, jetzt machen wir ein Gewerbegebiet, das wird vom Wirtschaftsministerium gefördert, hier erst mal Industrieansiedlung, dann die gewerbliche, die rein gewerbliche Nutzung, und nebenbei hat man dann eben diese Landebahnen mitentwickelt. So. Und das war genau der falsche Weg. Dadurch hat man nicht klar auf einem Konzept gesagt wir wollen einen Regionalflugplatz und dann muss sich alles drum herum entwickeln."

Eigentlich hätte man also nie Geld für einen normalen Passagier-Flughafen bewilligen dürfen. Tatsächlich steht in Cochstedt heute ein fast fertiges Terminal, sogar Restaurants könnten hier einziehen. Ein Gewerbegebiet dagegen gibt es nicht. Entstanden ist ein mittelgroßer Flughafen, auf dem auch große Passagierflugzeuge landen können. Doch die sind bislang ausgeblieben. Die Fluglotsen von Cochstedt haben nicht viel zu tun.

Fluglotse
"Linienverkehr in dem Sinne - nein, das ist alles Gelegenheitsverkehr."

Besonders paradox: nur eine halbe Stunde entfernt von Cochstedt ein weiterer Flughafen, ebenfalls mit Landesmitteln gefördert - der Flughafen Magdeburg. Auch hier ist alles klar für die Abfertigung von Passagieren, auch hier fliegt kaum jemand. Trotzdem - Die Stadt will weiter ausbauen.

Lutz Trümper
Oberbürgermeister Magdeburg, SPD
"Also bisher sind bisher sind meines Wissens hier ungefähr 20 Millionen verbaut worden. Gefördert auch durch das Land. Und die nächste Ausbaustufe, die jetzt anstehen würde, würde 25 Millionen Euro kosten, das heißt 50 Millionen DM. Und davon wird ein Teil durch das Land gefördert, wenn das Land dem zustimmt. Ungefähr 9 Millionen Euro."

Wieder Millionen Fördermittel für einen Airport. Und dabei ist Sachsen-Anhalt auch noch am Großflughafen Halle/Leipzig beteiligt, nur 50 Autominuten von Magdeburg entfernt. Trotzdem flossen über Jahre öffentliche Gelder nach Cochstedt. Das Wirtschaftsministerium hat gezahlt und gibt sich vom Ergebnis jetzt selbst überrascht.

Manfred Maas
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, FDP
"Zum damaligen Zeitpunkt ist die Entscheidung getroffen worden, ein Gewerbegebiet mit flughafen-affiner Ansiedlung und Verkehrslandemöglichkeit zu schaffen. Es hat nie in Rede gestanden, einen Flughafen zu fördern, weil entsprechende Konzeptionen nicht auf dem Tisch lagen."

Das Verkehrsministerium hat nicht gezahlt, findet das Ergebnis aber ganz in Ordnung.

Jürgen Heyer
Verkehrsministerium
"Wir haben das gemacht und so machen sie das immer mit der Verkehrsinfrastruktur. Auch wenn sie die erwarteten Zahlen nicht so schnell kriegen, machen sie ein Angebot an die Bevölkerung und an die Wirtschaft, dass sie eine Verkehrsinfrastruktur vorhaben, wahrnehmen kann."

Für 80 Millionen ein Gewerbegebiet ohne Gewerbe, ein Flughafen ohne Flugzeuge. Den tatsächlichen Bedarf an Airports kennt in Sachsen-Anhalt keiner. Schon seit 1998 verspricht der zuständige Minister ein Luftverkehrskonzept.

Jürgen Heyer
Verkehrsminister
"Innerhalb der Legislaturperiode haben wir gesagt und das heißt also bis zur Wahl. – Also Sie haben noch wie viele Monate Zeit? - Das können Sie sich selbst ausrechnen."

In spätestens 5 Monaten soll nun endlich ein Konzept auf dem Tisch liegen, das schon seit Jahren fällig ist. Der Bund der Steuerzahler kritisiert seit langem die Planlosigkeit der Landesregierung.

Helga Elschner
Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt
"Das Luftverkehrskonzept fehlt, und es fehlt meiner Meinung nach auch die Abstimmung zwischen den einzelnen Ministerien. Denn sonst wäre doch diese Situation überhaupt nicht entstanden. Denn die Förderung hier ist ja durch das Wirtschaftsministerium passiert. Und die haben eben nur ihr eigenen Bereich gesehen, und die haben nicht sozusagen die konzeptionelle Entwicklung im Flughafenbereich gesehen."

Sachsen-Anhalt, eines der ärmsten Bundesländer Deutschlands leistet sich demnach Flughäfen, ohne vorher zu prüfen, ob sie wirklich gebraucht werden.

Helga Elschner
"Offensichtlich ist es in Sachsen-Anhalt so, dass nur jemand kommen muss, der mit möglichst vielen Arbeitsplätzen winkt, der möglichst gut auftraten kann, der erzählt, was man alles machen könnte, und nichts dahintersteht, dann bekommt man in Sachsen-Anhalt offensichtlich sehr schnell und sehr viele Fördermittel."

Übrigens: das Land könnte sich durchaus noch einen Flugplatz vorstellen. Sachsen-Anhalt macht sich stark für den Großflughafen Stendal, falls aus dem Airport Berlin-Schönefeld nichts wird. Wenn man schon von Cochstedt aus nicht in die Welt fliegen kann, dann vielleicht von Stendal.

 

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