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Meinung

Leserbrief an die Volksstimme vom 30.12.2000 (nicht veröffentlicht)

Sehr geehrte Damen und  Herren, 
mit dem folgenden Leserbrief möchte ich meine persönliche Meinung zum geplanten Ausbau des Flugplatzes Süd in Magdeburg zum Ausdruck bringen und würde mich freuen, wenn Sie diesen Beitrag trotz der Länge veröffentlichen. Sollte das auch in gekürzter Form nicht möglich sein, wäre ich für einen Rückruf dankbar.

Mit freundlichen Grüßen


Wieviel Meter Flugplatz brauchen Stadt und Land wirklich ?

 In seiner Bilanz zum Jahreswechsel 2000 weist Herr Dr. Polte völlig zu Recht darauf hin, daß die angestrebte Kommunal- und Gebietsreform dazu beitragen kann, insgesamt Kosten einzusparen, wenn vorhandene Schulen, Kläranlagen usw. ihren Einzugsbereich erweitern. Warum fällt es ihm und anderen Politikern in Stadt und Land (Siehe z.B. Volksstimme v. 29.12.00.) dann so leicht, derartige Synergieeffekte zu verneinen, wenn es um die Entscheidung zum Ausbau des Flugplatzes in Magdeburg Süd auf 1800 m Rollbahnlänge oder zur Nutzung der vorhandenen 2500 m Rollbahn in Cochstedt geht? 
Die Befürworter des Ausbaus in Magdeburg führen im Wesentlichen zwei Gründe an:

Tradition sowie Wirtschaftsaufschwung durch die Stadtnähe.

Tradition allein ist kein rationales Argument für oder gegen etwas. Traditionen haben immer nur überlebt oder wurden wiedererweckt, wenn sie wirtschaftlichen, politischen oder religiösen Zielen dienten. Denn nur unter diesen Voraussetzungen ist Bedarf vorhanden, und es finden sich Geldgeber. Wäre es anders, hätten die Magdeburger Traditionsbetriebe ab 1990 nicht diesen Niedergang erlebt, und in jeder der Magdeburger Urgemeinden gäbe es noch Windmühlen, Flußmühlen sowie Pferde-schwemmen.

Wirtschaftsaufschwung ist eng an gute Verkehrsanbindungen gebunden, aber es spricht damit nichts gegen einen großen Flugplatz in Cochstedt für den Fracht- und Charterflugverkehr  und einen kleinen
Flugplatz in Magdeburg für den Geschäftsverkehr. Aus meiner Kenntnis der hiesigen Wirtschafts-struktur ist mir kein Produktionsbetrieb bekannt, der für seine Logistik auf den Flugplatz in Magdeburg angewiesen ist. Auch die in der Presse groß angekündigten wirtschaftlichen Startversuche von Panda-Flight, Elbe-Air-Lufttransport, Silver-Air und German Regional Air im Bereich des Passagier- bzw. Frachtflugverkehrs ab Magdeburg wurden vom rauhen Wind der Marktwirtschaft verweht.
Die oft angeführte vereinfachende Betrachtung, daß mehr Investoren kommen, wenn eine lange Rollbahn fast innerhalb einer Stadt liegt, ist durch nichts zu belegen.

Trotz des in der Landeshauptstadt gelegenen Flugplatzes hat Sachsen-Anhalt  derzeit 18,8 % Arbeitslose, während Mecklenburg-Vorpommern 17,3 % hat, obwohl die Flugplätze Laage und Schwerin-Parchim fast 30 km von Rostock bzw. Schwerin entfernt sind. Bei nur 4,8 % Arbeitslosen sind es in München ebenfalls 30 km bis zum Stadtzentrum.

Auch die große Länge der Rollbahn ist keine Voraussetzung  für die Geschäftsflüge von Investoren. Während Magdeburg viele Industriebrachen und 18 % Arbeitslose hat, hat Jena bei 12 % Arbeits-
losen keine Gewerbeflächen mehr für große Investoren frei. Und das, obwohl der Flugplatz Schöngleina mit 790 m Rollbahn ca. 20 km von Jena (Fahrzeit 30 min) entfernt und nur über eine Landstraße zu erreichen ist, deren letzte 5 km einspurig sind und nicht dem Winterräumdienst unterliegen. Aber auf diesem Flugplatz landeten Frau Merkel sowie Herr Lafontaine, und Herr Dr. Späth ist Stamm-Fluggast.
Es gibt also offensichtlich für Investoren andere wesentlichere Prämissen als Rollbahnlänge und
Stadtlage eines Flugplatzes. Aus meiner Sicht sind das insbesondere klare Strukturen der Wirt-schaftsförderung, und hier vermisse ich bezüglich des bisherigen und geplanten Flugplatzausbaus in Magdeburg die Aussagen und die Richtlinienkompetenz unserer Landesregierung. Es ist unverständ-lich, daß man den ständigen Klagen der Stadt über fehlende Landesförderung keine Sparvorschläge beim Flugplatzausbau entgegensetzt.
Für den geplanten Ausbau des Flugplatzes gilt wohl derzeit die Volksweisheit: „Luftschlösser lassen sich leicht aufbauen, aber schwer einreißen.“ 

Unabhängig vom Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung, die ja keinen Variantenvergleich zu Cochstedt oder Gesichtspunkte der Regionalentwicklung (z.B. Ausbau der B 81 zum Harz) betrachtet, bitte ich die politischen Entscheidungsträger in Stadt und Land sich vor ihrer Entscheidung pro oder contra folgende Fragen ehrlich zu beantworten:

n     Kenne ich einen potentiellen Investor oder eine Firma in Magdeburg bzw. im Umland, für die der größeren Flugplatz in Magdeburg existenznotwendig ist?

n     Welche Regionalflugplätze in Wohngebietsnähe kenne ich, und habe ich mich bei den dortigen Anwohnern über Fluglärm, Lebensqualität, Sozialstruktur, Wertverlust von Grundstücken und bei den dortigen mittelständischen Firmen über die Vor- oder Nachteile der Flugplatznähe kundig gemacht? (Empfehlung hierzu: Dortmund, Dresden-Hellerau, Berlin Tegel und Tempelhof, Schönefeld sowie die anliegenden Gemeinden Königswusterhausen und Schulzendorf u.a.)

n     Habe ich mich an einem Sonnabend oder Sonntag am Flughafen Magdeburg Süd aufgehalten, um den derzeitigen Fluglärm beurteilen zu können? Glaube ich an die Lärmprognosen, wenn ich weiß, daß neue Baugenehmigungen Hinweise auf den Fluglärm enthalten und z.B. der Flugplatz Hof/Plauen seine 1540 m lange Rollbahn ausbauen oder Charterflüge reduzieren muß, weil die Reiseveranstalter statt des teureren Flüsterjets BAe 146-200 die kostengünstigeren und lauteren Airbus A319 oder Boeing 737 einsetzen wollen?

n     Wie würde ich zum Flugplatzausbau entscheiden, wenn der steigende Luftverkehr über meinem Haus zu erwarten wäre?

n     Kenne ich die Euronormen für Landplätze so gut, daß ich Ausnahmegenehmigungen für Magde-burg mit Sicherheit ausschließen kann? Reicht evtl. der Ausbau auf die geforderte Mindestlänge von 1200 m für den Bedarf aus?

n     Würde ich Gesellschafteranteile der Flughafen GmbH erwerben, wenn ich wegen deren Finanz-situation evtl. ständig neues Kapital nachschießen müßte?

n     Welche Variantenvergleiche zwischen Cochstedt und Magdeburg sind mir bekannt und wurden von mir bewertet?

n     Wie würde ich den Bürgern in strukturschwachen Gebieten der alten Länder (z.B. Raum Olden-burg o.ä.) glaubhaft erklären können, daß die Mittel aus dem Länderausgleich und der Ostförde-rung nötig sind, um neben einem funktionsfähigen großen Flugplatz in Cochstedt einen zweiten in Magdeburg zu bauen?

n     Wie würde ich meinen Wählern, d.h. auch einkommensschwachen Bürgern, glaubhaft erklären können, daß sie für Heizenergie und Treibstoffe Steuern bezahlen müssen, während Flugbenzin im Linienverkehr derzeit noch steuerfrei ist, und jeder Flug auf innerdeutschen Linien mit 150 DM subventioniert wird.

Wenn die Politiker dann bei ihren Entscheidungen die Erfahrungen der BUGA, der EXPO und vieler ähnlicher Projekte berücksichtigen, daß alle Prognosen zur Bedarfsentwicklung letztlich Wetten auf die Zukunft sind, werden sie hoffentlich emotionsfrei mit dem erforderlichen wirtschaftlichen Augen-maß entscheiden.

Bezüglich der Statistik als Basis solcher Prognosen ist große Vorsicht geboten, denn keine Wissenschaft wurde bisher mehr mißbraucht als die Statistik, und schon Mark Twain kannte als Steigerung der Unwahrheit: die Lüge, die gemeine Lüge und die Statistik.

Anmerkung.

Dieser Leserbrief wurde der Volksstimme am 30.12.00 per Fax übermittelt.

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