Vorschlag der Stadtverwaltung für die Stadtratssitzung am 09.09.04:

Kurztitel: Strategische Perspektiven des Flugplatzes Magdeburg (Business Airport Magdeburg)

Beschlussvorschlag:

1. Der Stadtrat nimmt das Ergebnis der Ausschreibung von bis zu 74,9 % Gesellschaftsanteilen an der Flughafen Magdeburg GmbH vom 5.März 2004 sowie die schriftliche Erklärung der Landesregierung vom 15. Juli 2004 zur nicht gegebenen Bereitschaft der Landesregierung einen weiteren Ausbau des Flughafens Magdeburg mit zu finanzieren, zur Kenntnis.

2. Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg wird beauftragt, unter Berücksichtigung der insbes. durch die Absage jeglicher Landesförderung und die erfolglosen Privatisierungsbemühungen veränderten Rahmenbedingungen, dem Stadtrat bis spätestens zum Frühjahr 2005 konkrete Vorschläge und Varianten zur weiteren Perspektive des Flugplatzes Magdeburg (Verkehrslandeplatz Business Airport Magdeburg) und der Flughafen Magdeburg GmbH vorzulegen.

Dr.Brakmann, Dr.Puchta

 

Begründung:

Neben leistungsfähigen und attraktiven Verkehrsanbindungen auf Strasse, Schiene und Wasserwegen, ist auch eine den aktuellen und langfristigen Anforderungen von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Tourismus gerecht werdende Luftverkehrsanbindung von erheblicher Bedeutung für eine erfolgreiche langfristige Standortentwicklung der Landeshauptstadt Magdeburg und der Region insgesamt.

Die Zielfunktion des Flugplatzes Magdeburg ist daher die Versorgung der Landeshauptstadt und der Region mit einer leistungsfähigen, anforderungsgerechten Luftverkehrsanbindung, verbunden mit einer Steigerung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Region im nationalen und internationalen Vergleich.

Die Grundlage für die Entwicklung des Flugplatzes Magdeburg und des Handelns der Stadtverwaltung bildet das im Jahre 1995 vom Stadtrat beschlossene Entwicklungskonzept der Stadt Magdeburg zum dauerhaften Erhalt und investiver Weiterentwicklung desVerkehrslandeplatzes Magdeburg.

Die Flughafen Magdeburg GmbH (FMG) wurde am 11.1.1991 von der Stadt Magdeburg als Alleingesellschafter gegründet und übernahm im Juli 1991 die betriebliche Verantwortung für den Verkehrslandeplatz Magdeburg.

Seit dem Jahr 1995 ist die FMG Eigentümerin des mittlerweile rd. 83 ha großen Flugplatzgeländes nebst aufstehender Gebäude. Neben der Verantwortung für die Flugplatzinfrastruktur und den Flugplatzbetrieb entwickelt die FMG ein Gewerbegebiet am Flugplatz im Umfange von rd. 4 ha. Das vom Stadtrat 1995 beschlossene langfristige Entwicklungskonzept sah eine mehrstufige langfristige Entwicklung des Verkehrslandeplatzes zum Business Airport Magdeburg vor, wobei von einer Kofinanzierung durch die Stadt Magdeburg und das Land Sachsen-Anhalt ausgegangen wurde. Dabei wurde die 1. Entwicklungsetappe im August 1999 mit der Inbetriebnahme des neuen Abfertigungsgebäudes abgeschlossen.

Die weitere Entwicklung gemäß Entwicklungskonzept aus dem Jahre 1995 hängt dabei ganz entscheidend von der Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zur Flugplatzerweiterung mit Verlängerung der Start- und Landebahn mit Teilverlegung der Bundesstrasse B 71 ab. Von 1991 bis 2003 wurden im Rahmen der Herrichtung des Flugplatzes nach dem Stand der Technik und Verbesserung der Sicherheitsausstattung insgesamt Investitionen in Höhe von 13,8 Mio € getätigt. Als wichtigste Bestandteile wurden realisiert:

- Befestigung und Befeuerung der Start- und Landebahn

- Anflugbefeuerung, NDB/DME (Instrumentenanflugverfahren)

- Befestigung der Rollwege, Standflächen und Betankungsplätze

- Errichtung Towergebäude

- Errichtung Terminal für Passagierabfertigung

- Errichtung von Flugzeugunterstellhallen

- Hubschraubernachtlandeplatz

- Wetterstation, Winterdienst- und Feuerwehrtechnik, Tanktechnik

- Erschließung des flugplatzeigenen Gewerbegebietes

- Ausbauplanung Start- und Landebahn

Diese Gesamtinvestitionen von 13,8 Mio € wurden finanziert,

zu 3,9 Mio € durch Fördermittel des Landes Sachsen-Anhalt;

zu 3,9 Mio € durch Investitionszuschüsse der Stadt Magdeburg;

zu 6,0 Mio € durch die FMG.

Darüber hinaus wurde vom Gesellschafter Landeshauptstadt Magdeburg ein Stammkapital in Höhe von rd. 7,8 Mio € vollständig in die Gesellschaft eingebracht.

Neben den Zuschüssen im investiven Bereich stellt die Landeshauptstadt Magdeburg jährlich hohe sechsstellige Betriebskostenzuschüsse zur Finanzierung und Absicherung für das laufende operative Geschäft der FMG zur Verfügung.

Ungeachtet dieser im Rahmen der 1. Entwicklungsetappe bereits getätigten erheblichen Investitionen, ist mit dem gegenwärtigen Ausbaustand der vorhandene Flugplatz nur eingeschränkt nutzbar. Insbesondere aber lässt die kurze Start- und Landebahn von derzeit rd. 1000 m nur ein bestimmtes Spektrum an Flugzeugen zu. Damit sind allgemein übliche Verkehrsanforderungen, wie sie z.B. im regelmäßigen Geschäftsreiseverkehr notwendig sind, derzeit in Magdeburg nicht erfüllt.

Vor diesem Hintergrund wurde gemäß dem langfristigem Entwicklungskonzept von 1995 ein umfangreiches und mit knapp 1 Mio € auch finanziell aufwendiges Planfeststellungsverfahren in Angriff genommen und am 10.02.2000 mit einem rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Verkehrslandeplatzes Magdeburg / Verlängerung der Start- und Landebahn auf 1.800 m mit Umverlegung der Bundesstraße 71, erfolgreich abgeschlossen.

Dabei erfordert ein Ausbau nach Planfeststellungsbeschluss eine Gesamtfinanzierung von rd. 12,5 Mio €, wovon ein Anteil von 7,6 Mio € gemäß gültigem Stadtratsbeschluss von derLandeshauptstadt Magdeburg übernommen werden sollte und des weiteren eine Förderung/Kofinanzierung durch das Land Sachsen-Anhalt in Höhe von 4,9 Mio € angestrebt bzw. eingeworben werde sollte, als unbedingte Voraussetzung für eine Realisierung des Vorhabens.

Bereits während des laufenden Planfeststellungsverfahrens und nach Erlangung der Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses gab es permanente und intensive Bemühungen zur Einwerbung der benötigten Landesförderzusage zur Kofinanzierung des Projektes, um mit seiner Realisierung danach zügig beginnen zu können.

Leider war eine entsprechende verbindliche und konkrete Landesförderzusage seit Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses am 10.2.00 nicht zu erhalten. Es erfolgte jedoch auch keine klare Absage sowohl der vorherigen als auch der gegenwärtigen Landesregierung, sich an der weiteren Entwicklung des Flugplatzes Magdeburg nicht zu beteiligen. Gleichwohl zeichnete sich in den zahlreichen Gesprächen und öffentlichen Verlautbarungen bereits seit längerer Zeit eine noch zunehmende Fixierung und Konzentration der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf eine Weiterentwicklung und finanzielle Förderung ausschließlich des Flugplatzstandortes Cochstedt, auch zu Lasten einer Weiterentwicklung des Flugplatzes Magdeburg und damit einen grundsätzlichen Wechsel in der Flughafenförderpolitik des Landes Sachsen-Anhalt, die die erste Ausbaustufe des Flugplatzes Magdeburg zum Business Airport Magdeburg finanziell maßgeblich mit getragen hat, dies jetzt jedoch nicht fortsetzt, ab.

Vor dem Hintergrund der Mitte 2005 auslaufenden Gültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zum für seine Weiterentwicklung und eine Effizienzsteigerung notwendigen Ausbau des Flugplatzes Magdeburg und der andererseits ausbleibenden bzw. bis zu diesem Zeitpunkt ungewissen Landesförderung zu einer Kofinanzierung des Vorhabens, hatte der Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg im Dezember 2003 mehrheitlich eine Ausschreibung und Veräußerung von bis zu 74,9 % der Gesellschaftsanteile der FMG an öffentliche oder private Investoren beschlossen, um auf diese Weise die Gesamtfinanzierung sicherzustellen und einen zeitnahen Ausbau des Flugplatzes Magdeburg ggf. auch ohne Landesförderung zu erreichen. Dabei handelte es sich nach der öffentlichen Ausschreibung von bis zu 74,9 % Gesellschaftsanteilen an der FMG/Bekanntmachung vom 5. März 2004 um ein mehrstufiges Verfahren.

Bis zum 26.3.04 konnten Teilnahmeerklärungen abgegeben und nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung das ausführliche Infopaket abfordert werden. Die Angebotsabgabefrist endete dann am15.5.2004. Ihre Interessenbekundung zur Teilnahme haben bis zum 26.3.04 bekundet:

- Hessische Flugplatz Egelsbach GmbH, Egelsbach bei Frankfurt

- Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, Berlin

- Andrea Durando, Turin/Italien

- Rechtsanwalt Stefan Kranz, Lübeck

- Rechtsanwalt David Roitman LL.M., Frankfurt

- INTERFIDIA GmbH, Köln

Die Vertraulichkeitserklärung unterschrieben und das Infopaket abgefordert und erhalten haben davon:

- Interfidia GmbH

- Flugplatz Egelsbach GmbH

- RA Kranz

Angebote sind weder fristgerecht bis zum 15.5.04 noch danach eingegangen. Parallel dazu wurden durch den Oberbürgermeister mehrere Vorstöße unternommen, um endgültige und verbindliche Klarheit hinsichtlich der über Jahre ausgebliebenen definiven Positionierung der Landesregierung zu einer finanziellen Förderung des weiteren Flugplatzausbaus in Magdeburg oder deren diesbezügliche Absage einer solchen zu erreichen.

In einem nach intensiver Korrespondenz geführten Gespräch des Ministers und des Staatssekretärs des Ministeriums für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg am 12.7.2004, an welchem auch der Vorsitzende des Stadtrates und amt. Vorsitzende des FMG-Aufsichtsrates sowie der Baubeigeordnete der Landeshauptstadt Magdeburg teilnahmen, stellte Minister Dr. Daehre das von der Landesregierung im April 2004 beschlossene Landesluftverkehrskonzept vor und erteilte eine definitive Absage, dass die Landesregierung nicht bereit ist, den Ausbau des Flugplatzes Magdeburg mit zu finanzieren.

Diese Positionierung der Landesregierung erfolgte im Nachgang auch schriftlich und ging dem Oberbürgermeister am 19.07.2004 zu.

In dem Gespräch und seinem Schreiben vom 15.7.2004 (Zugang 19.7.04) hat Minister Dr. Daehre zugleich eine Einbeziehung der FMG bzw. des Flugplatzes Magdeburg in eine perspektivische Lösung für den Flughafen Cochstedt angeregt und dafür die Kooperationsbereitschaft und den Finanzierungswillen der Landesregierung erklärt.

Der Oberbürgermeister hat davon ausgehend Minister Dr. Daehre am 21. Juli 2004 um Übersendung der möglichst konkreten Vorschläge des Landes gebeten, um die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen eines solchen evtl. Engagements in Verbindung von Land und Stadt für die Stadt Magdeburg prüfen und bewerten zu können und auf der Grundlage dem Stadtrat zur Erörterung und Entscheidung vorzulegen.

Erst nach Vorlage derselben können und werden durch den Oberbürgermeister verschiedene strategische Handlungsszenarien und Optionen zur Zukunft des Business Airport Magdeburg und der FMG entwickelt und zur Beratung und Entscheidung dem Stadtrat vorgelegt werden. Dabei gilt es nachfolgende Varianten rechtlich und betriebswirtschaftlich sowie finanziell aufzubereiten, zu bewerten und abzuwägen als Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat:

1. Ausbau des Verkehrslandeplatzes Magdeburg ohne Landesmittel

a) Ausbau zu 100% aus städtischen Mitteln

b) Ausbau durch Aufnahme von durch die Stadt verbürgten Darlehen zur

Kofinanzierung

c) Ausbau mit Investorenbeteiligung

2. Beibehaltung des Status quo am Verkehrslandeplatz Magdeburg

a) Orientierung nur auf die Allgemeine Luftfahrt ohne Dienstleistungsvertrag für Flughafen Cochstedt

b) Orientierung nur auf die Allgemeine Luftfahrt und Dienstleistungsvertrag für Flughafen Cochstedt

3. Rückführung und Orientierung des Verkehrslandeplatzes Magdeburg auf die Privat- und Sportluftfahrt

4. Zusammenführung des Verkehrsflughafens Cochstedt und des Verkehrslandeplatzes Magdeburg

a) Zusammenführung unter dem Dach einer neu zu gründenden Betreibergesellschaft mit Beteiligung des Landes Sachsen-Anhalt, der Landeshauptstadt Magdeburg und evtl. weiterer zu gewinnender Landkreise

b) Zusammenführung und Einbringung als eigenständige Tochtergesellschaft unter dem Dach der Mitteldeutschen Flughafen AG

Dabei hat in den begonnenen Gesprächen mit der Landesregierung, um eine mögliche Zusammenarbeit der Flugplätze Cochstedt und Magdeburg zu sondieren, die Landesregierung Verständnis und Zustimmung zur Grundposition der Stadt Magdeburg signalisiert, dass die Stadt Magdeburg bezüglich ihrer finanziellen Aufwendungen und Risiken nicht schlechter als derzeit gestellt werden darf und dass es keine Schließung des Verkehrslandeplatzes Magdeburg geben wird, also dauerhaft zumindest eine weitere Nutzung für die Privat- und Sportfliegerei zugesichert wird.

Gleichzeitig wurde in den letzten Wochen die Fragestellung einer Prüfung unterzogen, inwieweit die Mitte 2005 auslaufende Gültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 20.2.2000 zeitlich darüber hinaus aufrechterhalten werden kann.

Nach Auskunft des FMG-Geschäftsführers kommt nach erster Prüfung durch das Baurechtsamt eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer leider rechtlich nicht in Betracht. Jedoch kann und sollte man sich auf den Rechtsstandpunkt stellen, dass durch die nach dem Jahre 2000 realisierten Maßnahmen, Ausweisung einer Freifläche am östlichen Bahnende, Kontroll- und Wartungsstraße Anflug 27 sowie der Feuerwehrzufahrt, als Teilmaßnahmen des Gesamtvorhabens die Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses fristgemäß begonnen wurde und damit ein Verfall der Gültigkeit im juristischen Sinne nicht eintritt.

Dr. Puchta