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Immer wieder wird in der Luftfahrt versucht, Ausbaupläne mit dem Schaffen von Arbeitsplätzen zu begründen. Am wichtigsten sind jedoch dann die aufgeführten wirtschaftlichen Erfolge, die damit erzielt werden können. Dass dem nicht immer so ist, beweist der folgende Beitrag: Es werden die stark angepriesenen Beschäftigungs- und Wirtschafteffekte einer genaueren Betrachtung unterzogen mit dem Ergebnis, dass alles nur so sehr geschönt wird, bis es glaubwürdig erscheint. Allerdings darf man nicht hinter die Kulissen schauen...

Doch lesen Sie selbst!

 

Stellungnahme zur wissenschaftlichen Methodik der im Rahmen des Mediationsverfahrens erstatteten Gutachten zu den Beschäftigungswirkungen eines Ausbaus des Flughafens Frankfurt

von
Prof. Dr. Michael von Hauff

Prof. Dr. Jens Horbach

im Auftrag des Magistrates der Stadt Hofheim

 


Stuttgart/Buch am Forst, Mai 2000


Gliederung

1. Einleitung

Im März 2000 erhielten Prof. Dr. Michael von Hauff und Prof. Dr. Jens Horbach von dem Magistrat der Stadt Hofheim den Auftrag, für die im Rahmen des Mediationsverfahrens erstellten Gutachten zu den Beschäftigungswirkungen eines Ausbaus des Flughafens Frankfurt hinsichtlich der dort angewandten Methodik eine Stellungnahme vorzunehmen. Im Rahmen dieser Stellungnahme geht es also darum, die Gutachten kritisch zu prüfen und zu beurteilen. Diese Stellungnahme beschränkt sich auf folgende Gutachten:

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main -

Status-Quo-Analysen und Prognosen

Erstellt: Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner GmbH, Universität Frankfurt (Institut für Statistik und Ökonometrie), Technische Universität Darmstadt (Fachgebiet Finanz- und Wirtschaftspolitik

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main -

Status-Quo-Analysen und Szenarien -

Teil B: Erhebung und Bestimmung der direkten Effekte mittels Arbeitsstättenbefragung

Erstellt: siehe oben

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main - Status-Quo-Analysen und Szenarien -

Teil C: Analyse der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen des Flughafens Frankfurt/Main mit Hilfe von Input-Output Modellen für die Bundesrepublik Deutschland und Hessen.

Erstellt: siehe oben

- Bedeutung des Flughafens Frankfurt/Main als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft - Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Flughafenanbindung –

Erstellt: Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität zu Köln

Die Stellungnahme konzentriert sich primär auf die Methoden und die Anwendung der Methoden und die daraus gewonnenen Ergebnisse im engeren Sinne. Daraus leiten sich qualitative Schlussfolgerungen ab, ob die Gutachten sich für einen gesicherten Entscheidungsprozess hinsichtlich des geplanten Ausbaus des Frankfurter Flughafens eignen. Entsprechend wendet sich das zweite Kapitel dem Gutachten des Instituts für Verkehrswissenschaft/Universität Köln zu. Das Kapitel drei befaßt sich mit dem dreibändigen Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner GmbH u.a.. Es wurde jedoch mit dem Auftraggeber dieser Stellungnahme vereinbart, dass auch die Umwelteffekte, die in diesen Gutachten weitgehend vernachlässigt werden, in die Stellungnahme mit einbezogen werden, da sie für die Standortqualität von hoher Relevanz sind und zumindest als "weicher Standortfaktor" auch für den Arbeitsmarkt bedeutend sind. Dieser Aspekt wird in Kapitel vier behandelt. In Kapitel fünf erfolgt eine abschließende Beurteilung.
Die Stellungnahme kann somit nicht als Gegengutachten zu den aufgeführten Gutachten verstanden oder eingeordnet werden. Die Stellungnahme enthält keine neuen Erhebungen oder Alternativberechnungen bzw. alternative Konzepte zu den verschiedenen Varianten der geplanten Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Sie beschränkt sich auf qualitative Aussagen bzw. Empfehlungen hinsichtlich der in den Gutachten aufgezeigten Ergebnisse.

2. Stellungnahme zum Gutachten „Bedeutung des Flughafens Frankfurt/Main als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft“

2.1 Zielstellung des Gutachtens und Vorgehensweise

Das Gutachten vom Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität zu Köln versucht nachzuweisen, dass aus der Erweiterung des Flughafens Frankfurt eine Verbesserung der Standortqualität der Region resultiert, was wiederum zu „Produktivitätssteigerungen, Kostensenkungen, besseren Absatzmöglichkeiten und in Wertschöpfungseffekten für die Region aus der Standortentscheidung der Unternehmen“ führen soll (Kurzfassung S. 2). Aus verbesserten Produktions- und Absatzbedingungen für die Wirtschaft der Region entstehe „... die eigentliche Rechtfertigung für den Flughafen“ (Kurzfassung S. 2).
Die Hauptdatenbasis für das Gutachten basiert auf einer schriftlichen Befragung von 7028 Unternehmen im Einzugsbereich des Flughafens. Diese Daten wurden durch die amtliche Statistik sowie Expertengespräche ergänzt. Neben der deskriptiven Auswertung der Befragung wurde ein Modell „wirtschaftliche Effekte“ zur Darstellung der quantitativen Zusammenhänge zwischen Unternehmensaktivitäten und den Standorteffekten für die Region entwickelt.
A
uf der Basis dieses Modells haben die Gutachter Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte für drei Szenarien berechnet. Das Szenario A (engpaßfreier Ausbau des Flughafens) diente als Basisszenario, damit wurden die beiden anderen Szenarien B (Verlust der HUB-Funktion des Frankfurter Flughafens) und Szenario C (Einschränkung des Frachtverkehrs) verglichen.

2.2 Beurteilung der einzelnen Bausteine des Gutachtens

Erhebung und Aufbereitung der Datengrundlage

Eine schriftliche Unternehmensbefragung bildete die Hauptdatenbasis des Gutachtens. Zum Erfolg der Befragung bemerken die Autoren (S. 46): „Von den 7.028 versendeten Fragebögen wurden etwa 10% zurückgeschickt. Davon waren 658 Fragebögen auswertbar. Durch die Nachfaßaktion wurde der Rücklauf auf 906 Fragebögen erhöht. Davon waren 53 nicht auswertbar. Somit liegt die Rücklaufquote (auswertbare Bögen) bei 12,1%“.
D
iese Antwortquote ist im Vergleich zu anderen Unternehmensbefragungen sehr gering. So betrug der entsprechende Wert im Betriebspanel (Erstbefragung) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) über 70%. Erhebliche Probleme ergeben sich hieraus vor allem dann, wenn die nicht antwortenden Unternehmen zu deutlich abweichenden Ergebnissen gekommen wären (sogenannter non-response-error). Eine niedrige Antwortquote erfordert daher umso mehr eine Analyse der Situation der nicht antwortenden Unternehmen. Dies haben die Gutachter über eine telefonische Nachfaßaktion zu erreichen versucht, indem vor allem Unternehmen der bis dahin unterrepräsentierten Branchen bzw. Regionen erneut befragt wurden. Unterschieden wurde darüber hinaus auch nach der Betroffenheit der Unternehmen durch den Flughafen. Diese Maßnahmen zur Verringerung des non-response-errors waren auf jeden Fall notwendig und sinnvoll. Angesichts der sehr geringen Rücklaufquote in Verbindung mit der Tatsache, dass vor allem in positiver Weise von einem Flughafenausbau betroffene Unternehmen einen hohen Anreiz haben zu antworten, müssen die Ergebnisse der Befragung dennoch sehr vorsichtig interpretiert werden.

Beurteilung des Fragebogens

Der Fragebogen weist deutlich erkennbare Schwächen auf, die im folgenden stichpunktartig erläutert werden sollen:

- Bei der Frage nach den einzelnen Standortfaktoren wurde auf die Nennung weicher Standortfaktoren wie der Umweltqualität verzichtet (lediglich Freizeitwert, d. h. Kultur und Erholung wurde genannt). Gerade dieser Standortfaktor wäre aber in bezug auf mögliche negative Standorteffekte des Flughafenausbaus relevant gewesen. So weisen viele regionalökonomische Studien (vgl. z.B. Horbach/Junkernheinrich (1994), S. 116/117) und sogar die Gutachter selbst (S. 94) darauf hin, dass derartige weiche Standortfaktoren zunehmend wichtiger werden, etwa um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Dies ist vor allem auch für andere Branchen in der Region Frankfurt wie dem Kreditgewerbe oder der Informationstechnologie, die in besonderer Weise von qualifizierten Mitarbeitern abhängig sind, von hoher Bedeutung. So kann die Situation eintreten, dass diese Unternehmen aufgrund einer Verschlechterung der weichen Standortfaktoren gezwungen sind, eher in anderen Regionen zu investieren. Eine bessere Berücksichtigung der weichen Standortfaktoren im Rahmen der Erhebung wäre also durchaus sinnvoll und notwendig gewesen.

- Es wird nach der prozentualen Veränderung des Umsatzes und der Mitarbeiterzahl von 1998 bis zum Jahre 2015 gefragt: Es ist anzunehmen, dass diese Angaben aufgrund des sehr langen Zeitraums nur sehr grob und ungenau sein können. Der jeweils befragte Mitarbeiter eines Unternehmens dürfte kaum in der Lage gewesen sein, angesichts vieler Unwägbarkeiten und Änderungen von Rahmenbedingungen in der Zukunft derartig exakte Angaben zu machen.

·     -  Im Falle des Verlustes der HUB-Funktion des Frankfurter Flughafens: Die hier gestellte Frage nach (Teil-) Standortverlagerungen ist noch zu vertreten, wobei gerade diejenigen Unternehmen, die in hohem Maße vom Frankfurter Flughafen wirtschaftlich abhängig sind, einen hohen Anreiz haben, Standortverlagerungen anzugeben. Ob angesichts hoher sunk costs tatsächlich auch eine Standortverlagerung durchgeführt wird, ist dann allerdings eher fraglich. Wichtiger wäre an dieser Stelle eine Frage gewesen, an welchem Standort in Zukunft investiert werden soll, was nicht damit verbunden sein muß, dass der bisherige Standort aufgegeben wird. Mit sehr großen Ungenauigkeiten ist die anschließende Frage nach der Anzahl der Mitarbeiter verbunden, die - genau nach Einzelbereichen aufgeschlüsselt - von den Standortverlagerungen betroffen sein würden (vgl. auch weiter oben).


Deskriptive Auswertung der Stichprobenergebnisse

Ein entscheidendes Problem des Gutachtens besteht darin, dass aus möglichen Standortverlagerungen, die aus einer Befragung ermittelt wurden, konkrete, in genaue Zahlen gefaßte Verluste an Beschäftigten abgeleitet wurden. Vor allem angesichts des sehr langen Beobachtungszeitraums bis zum Jahr 2015 in Verbindung mit der sehr geringen Rücklaufquote bei der Befragung, erscheint diese Vorgehensweise als ungeeignet. So bekennen die Autoren zunächst selbst: „Allerdings stellt dieser langfristige Erwartungshorizont hohe Anforderungen an die Vorstellungskraft der befragten Unternehmen. Sie müssen abschätzen, wie sich Märkte und Lieferbeziehungen entwickeln, welche Produktions- und Vertriebsverfahren verfügbar sein werden, welche alternativen Verkehrsträger in Betracht kommen könnten u.a.m. Die Antworten dürfen entsprechend nur als orientierende Abschätzung und nicht als exakte Daten gesehen werden.“ (S. 4). 
Im Anschluß daran werden jedoch diese Daten verwendet, um - im Rahmen eines Modells „wirtschaftliche Effekte“ - genaue, quantitative Angaben zu Beschäftigungs- und Wertschöpfungswirkungen zu machen. Es ist auch fraglich, ob die befragten Unternehmen in der Lage waren, künftige Rationalisierungspotentiale in ihren Antworten zu berücksichtigen – ein Aspekt, der gerade angesichts hoher Produktivitätssteigerungen in der Vergangenheit für die Unternehmen des Flughafens Frankfurt eine große Rolle gespielt hat. 

Die Auswertung der Frage nach den einzelnen Standortfaktoren zeigt, dass die „Verkehrsanbindung durch den Flughafen Frankfurt“ im Durchschnitt aller befragten Unternehmen an siebter Stelle der erhobenen Standortfaktoren liegt und damit eher eine untergeordnete Rolle spielt. So ergibt sich nach der Befragung als wichtigster Standortfaktor die „Verkehrsanbindung durch die Straße“, danach folgen in dieser Reihenfolge: „Nähe zum Absatzmarkt“, „Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte“, „Arbeitskosten“, „örtliche Steuern und Abgaben“ sowie „Dienstleistungsangebote“. 

Neben der Wichtigkeit der einzelnen Standortfaktoren ist die Auswertung der Frage nach der Beurteilung der eigenen Standortbedingungen durch die befragten Unternehmen interessant (S. 110):  

„Die vorzufindenden Bedingungen werden von den befragten Unternehmen besonders kritisch gesehen, wenn Bedeutung des Standortfaktors und Beurteilung des eigenen Standortes erheblich auseinanderfallen. Dies gilt insbesondere für die Höhe der örtlichen Steuern und Abgaben, die Arbeitskosten, die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, die Umweltauflagen sowie die Verkehrsanbindung durch die Wasserstraßen. Dies deutet z.B. auf relativ hohe Arbeitskosten und Belastungen durch örtliche Steuern und Abgaben hin. Die Ausgestaltung dieser Faktoren wird demnach ihrer Standortbedeutsamkeit aus Sicht der Unternehmen nicht gerecht. Die Standortbedingungen sind in diesen Fällen verbesserungswürdig. Im Gegensatz hierzu entspricht die Beurteilung der Luftverkehrsanbindung der Bedeutung dieses Standortfaktors.“

Offenbar scheint für die befragten Unternehmen gerade bei diesem für das Gutachten kritischen Standortfaktor zumindest zur Zeit kein Engpaß zu bestehen.

Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt

In einem weiteren Abschnitt gehen die Autoren des Gutachtens der Frage nach, „... ob die Unternehmen, die durch die Qualität der Luftverkehrsanbindung begünstigt werden, einen Verdrängungseffekt zu Lasten der Unternehmen, die keine Vorteile durch die Luftverkehrsanbindung haben, verursachen“ (S. 122). 
Die Messung derartiger Verdrängungseffekte erfolgt allein auf der Basis der Analyse der offenen Stellen bei luftverkehrsaffinen und nicht-luftverkehrsaffinen Unternehmen: „Die Nullhypothese „Von der Luftverkehrsanbindung gehen keine Verdrängungseffekte aus“ wird dann verworfen, wenn sich bei begünstigten Unternehmen eine relativ geringere Anzahl offener Stellen beobachten läßt, als bei den nicht begünstigten Unternehmen“ (S. 124). Diese Vorgehensweise ist allerdings kaum geeignet, um mögliche Verdrängungseffekte nachzuweisen. So werden Struktureffekte nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt: Der Vergleich der Anzahl offener Stellen sagt noch nichts darüber aus, ob die flughafenaffinen mit den nicht-flughafenaffinen Unternehmen in bezug auf die Arbeitskräfte konkurrieren. So kann es sein, dass die Unternehmen der ersten Gruppe Fluglotsen benötigen und die zweite Gruppe dagegen Computerspezialisten. Auch die von den Autoren des Gutachtens durchgeführte grobe Differenzierung nach Branchen hilft hier kaum weiter.

Darüber hinaus wird nicht beachtet, dass auch die Möglichkeit besteht, dass Arbeitskräfte aus anderen Regionen in die Region Frankfurt wandern könnten.
Viel wichtiger wäre dagegen die Berücksichtigung von Verdrängungseffekten gewesen, die aus der Verschlechterung der weichen Standortfaktoren wie der Umweltqualität resultieren können. Die Diskussion derartiger Effekte erfolgt in Abschnitt 4 dieser Stellungnahme.

Das Modell „wirtschaftliche Effekte

Das Modell „wirtschaftliche Effekte“ basiert auf den Wirkungen von Kostensteigerungen, Umsatzausfällen und (Teil-) Standortverlagerungen. Die Ausgangsdaten werden der amtlichen Statistik, der schriftlichen Erhebung und den Expertengesprächen entnommen. 
Wie schon weiter oben ausgeführt, ist die Datenbasis zur Ermittlung von quantitativen Ergebnissen nicht adäquat, da die Angaben etwa zu Standortverlagerungen aufgrund unvollkommener Information der Unternehmen nicht exakt sein können und lediglich qualitative Aussagen zulassen. 
Darüber hinaus weist das Modell „wirtschaftliche Effekte“ teilweise unrealistische Annahmen auf:

      -  Die Autoren behaupten, dass durch das erhöhte Kapitalangebot aufgrund von Standortverlagerungen der Zins sinken soll (S. 140). Es ist jedoch völlig unrealistisch, dass es zu Zinsänderungen aufgrund von Kapitalangebotsänderungen in einem derart kleinen Gebiet wie dem Umland des Flughafens Frankfurt kommen wird.

- Umgang mit dem Faktor Kapital: Die Autoren betrachten beispielsweise den folgenden Fall (S. 167): „Der Kapitalbedarf ist größer als das vorhandene Kapitalpotential. Das bedeutet, dass das durch die Produktionsausfälle bei den betroffenen Unternehmen freigesetzte Kapital nicht reicht, um die von der Standortverlagerung betroffenen Mitarbeiter in einer alternativen Verwendung vollständig zu beschäftigen.“ Hieraus folgern die Autoren sofort, dass sich dadurch der Verlust an Arbeitsplätzen erhöht. Mit ihrem Begriff des vorhandenen Kapitalpotentials gehen die Verfasser von einer statischen Sichtweise aus und berücksichtigen etwa nicht die Möglichkeit, dass durch eine Steigerung der Investitionstätigkeit ein zusätzlicher Kapitalstock und damit Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Insgesamt bleibt der im Gutachten verwendete Kapitalbegriff diffus und unklar. Welche Art von Kapital (z.B. Grundstücke, Maschinen oder Geldkapital) bei „Produktionsausfällen“ freigesetzt wird, ist nicht erkennbar. Erst nach einer genauen Analyse der Zusammensetzung dieses „Kapitals“ könnte man darüber urteilen, welche Beschäftigungseffekte zu beobachten wären.

- Die Autoren nehmen an, dass Kostensteigerungen automatisch in Preiserhöhungen weitergegeben werden. Anschließend werden gesamtwirtschaftliche Preiselastizitäten aus der Literatur verwendet, um die daraus resultierenden Produktionsausfälle zu berechnen. Es könnte für ein Unternehmen allerdings auch sinnvoll sein, die Kostensteigerungen bei sehr elastischer Nachfrage anders zu kompensieren – etwa durch Produktivitätssteigerungen, ansonsten würde das Unternehmen ja unter Umständen vom Markt verschwinden (S. 143). Gerade im Hinblick auf die Unternehmen des Flughafens Frankfurt konnte man in den neunziger Jahren beobachten, dass Produktivitätspotenziale genutzt wurden: Das Passagier- und Frachtaufkommen wuchs deutlich stärker als die Beschäftigung (vgl. Bericht der Mediationsgruppe, S. 75). Die Gutachter haben zwar versucht, „Auffangpotenziale“ von Kostensteigerungen zu berechnen. Dabei geben sie exakte Zahlen an (beispielsweise ein Kompensationspotenzial von 12 % bei einer Funktionseinschränkung im Passagierverkehr, S. 82). Auf der Basis des im Anhang des Gutachtens abgedruckten Fragebogens ist eine derartige Berechnung jedoch methodisch nicht vertretbar, da in Frage 5b) lediglich nach Intervallen (z. B. „um 50 % bis 80 %“, „um 80 % bis 100 %“) gefragt wird.

- Auf Seite 162 konstatieren die Autoren: „Mit der Verwendung der 97er Arbeitslosenquoten wird unterstellt, dass diese auf das Jahr 2015 übertragbar sind“. Die Arbeitslosenquoten von 1997 werden offenbar bedenkenlos auf das Jahr 2015 übertragen. Dabei wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass sich beispielsweise das Arbeitsangebot aufgrund demographischer Ursachen bis zum Jahr 2015 stark ändern kann. Es ist auch durchaus denkbar, dass bei qualifizierten Beschäftigten im Jahr 2015 sogar ein Arbeitskräftemangel bestehen kann.  

Ergänzende Expertenbefragung

Das Gutachten wird in Kapitel 6 durch eine Expertenbefragung ergänzt, die u.a. Fallstudien zur Betroffenheit einzelner Unternehmen durch den Flughafenausbau beinhaltet. 
Ein wichtiges Ergebnis verdeutlicht, dass bei einer Funktionseinschränkung im Passagierverkehr durchaus Verlagerungspotenziale bestehen. Als Ausweichflughäfen werden z.B. Mannheim, Straßburg oder Saarbrücken genannt, außerdem würde nach Aussagen der Unternehmen die Bahn stärker genutzt werden (S. 222), was vor dem Hintergrund der Umweltproblematik ja durchaus eine positiv zu bewertende Reaktion darstellt.
Mit Umsatzausfällen aufgrund einer verschlechterten Luftverkehrsanbindung rechnet die Mehrheit der befragten Unternehmen jedoch nicht, dagegen mit Kostensteigerungen (S. 223).
Auch im Rahmen der Expertenbefragung wurden offenbar weiche Standortfaktoren wie die Wohnumfeld- oder die Umweltqualität nicht berücksichtigt.

2.3 Gesamtbeurteilung

Die Datenbasis muß als unsicher bezeichnet werden, da einerseits die Rücklaufquote bei der Unternehmensbefragung mit 12 % niedrig war.1 Außerdem war die Frage nach Standortverlagerungen nach einzelnen Szenarien mit den damit verbundenen Mitarbeiterzahlen in bezug auf den sehr langen Zeitraum bis 2015 zu komplex. Diese Ausgangsdaten sind damit für eine exakte Prognose- und Szenarienbildung unzureichend. Sie sind allenfalls in der Lage, qualitative Aussagen zuzulassen.  
Das Modell „wirtschaftliche Effekte“ weist – wie in Abschnitt 2.2 dargestellt - teilweise unrealistische Annahmen auf und berücksichtigt viele relevante Effekte, wie etwa die Änderung des Arbeitsangebots bis 2015, nicht. 
Die Autoren vernachlässigen den sehr wichtigen Aspekt der wirtschaftlichen Effekte zusätzlicher Umweltbeeinträchtigungen aufgrund eines Ausbaus des Flughafens. Sie geben lediglich den folgenden Hinweis (S. 7): „Die theoretische Sicht hätte es nahe gelegt, daß den Vorteilen der Luftverkehrsanbindung auch die Wertschöpfungs- und Beschäftigungskontraktionen aus den externen Kosten des Luftverkehrs (Lärm, Schadstoffemissionen) gegenübergestellt worden wären. Der Arbeitskreis Ökonomie der Mediationsgruppe hat sich jedoch für eine Bruttorechnung der wirtschaftlichen Vorteile entschieden.“

Auf der Basis des vorliegenden Gutachtens können die Standorteffekte eines Flughafenausbaus nicht in zuverlässiger Weise quantifiziert werden. Darüber hinaus wurden wichtige Standortfaktoren wie die Umweltqualität in der Flughafenregion nicht berücksichtigt.

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