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Bodenlärm 

Folgen wir den Ausführungen des Gutachters zum Bodenlärm, so liegen im Lärmgefährdungsgebiet keine besiedelten Gebiete. Der Gutachter stützt seine Aussage auf die „lärmphysikalischen“ Berechnungen, die zeigen, dass in besiedelten Bereichen Maximalpegel von 99 dB(A) nicht erreicht oder die Anzahl von Maximalpegeln ³ 99 dB(A) kleiner als 19 ist. 

Der Aussage des Gutachters liegt jedoch ein Irrtum zugrunde. Das Kriterium von 19 x 99 dB(A) darf nicht als Beginn der vegetativen Übersteuerung angesehen werden, da der Gutachter bei der Ableitung seines Übersteuerungskriteriums physikalische Gesetzmäßigkeiten missachtete (...). Die Werte, die der Gutachter als Übersteuerungskriterium angibt liegen 11 dB(A) über dem von ihm experimentell ermittelten Beginn einer vegetativen Übersteuerung für breitbandige Geräusche. Das Lärmgefährdungsgebiet ist wesentlich größer als vom Gutachter angenommen. 

Die Beurteilung des Bodenlärms anhand des „Übersteuerungskriteriums“ von 19 x 99 dB(A) führt zu einer erheblichen Unterschätzung des Schutzbedarfes des Anwohner und ist daher entschieden abzulehnen.  

Unabhängig von diesem Irrtum werden vom Gutachter für den Bodenlärm die gleichen Kriterien herangezogen, die er für eine Fluglärmbelastung ansetzt. Das betrifft den Beginn der vegetativen Übersteuerung, die erhebliche Belästigung (...) und das lärmbedingte Erwachen (...). 

Dieses Vorgehen des Gutachters ist nicht nachvollziehbar, da sich die zu beurteilenden Geräuschquellen (z.B. Triebwerksprobeläufe, Verkehrsgeräusche (Straße, Schiene), Geräusche von technischen Anlagen) sowohl in ihrer Frequenzzusammensetzung als auch in der Zeitstruktur deutlich vom Fluglärm unterscheiden können. 

Belästigung durch Bodenlärm 

Der Immissionsgrenzwert von LAeq3,außen = 65 dB(A) für die erhebliche Belästigung, den der Gutachter für Fluglärm angesetzt hat, undifferenziert auf den Bodenlärm zu übertragen, ist lärmmedizinisch nicht gerechtfertigt und daher abzulehnen. 

Der Beginn der erheblichen Belästigung wird für einen quasi-kontinuierlichen Bodenlärm von 16 Stunden bei einem Außenpegel von LAeq3,16 = 56 dB(A) angesetzt. 

Der Beginn der erheblichen Belästigung wird für einen intermittierenden Bodenlärm von 16 Stunden (6:00-22:00 Uhr) bei einem Außenpegel von LAeq3,16 = 50 dB(A) angesetzt. 

Nächtlicher Bodenlärm 

Für den Beginn von lärmbedingtem Erwachen (...) werden vom Gutachter die gleichen Maximalpegelkriterien herangezogen (6 x 60 dB(A) am Ohr des Schläfers), die er für eine Fluglärmbelastung ansetzt. 

Dieser Ansatz des Gutachters ist in Frage zu stellen, da Maximalpegel LAmax,Boden nicht nur durch einzelne Geräuschspitzen kurzer Dauer (wie beim Fluglärm) gegeben sind, sondern z.B. durch einen anhaltend lauten Betriebszustand. 

Das Maximalpegelkriterium von 6 x 60 dB(A) für nächtliches Erwachen, das der Gutachter für Überflüge angesetzt hat, undifferenziert auf den Bodenlärm zu übertragen, ist lärmmedizinisch nicht gerechtfertigt und daher abzulehnen. 

Darüber hinaus ist den Ausführungen des Gutachters zu entnehmen, dass sein Maximalpegelkriterium von 6 x 60 dB(A) nur gilt, sofern die Maximalpegel mehr als 10 dB(A) über dem Dauerschallpegel liegen.  

Warum bei einem Schläfer ein höherer Dauerschallpegel toleriert werden kann, nur weil gleichzeitig höhere Maximalpegel am Ohr des Schläfers auftreten, bleibt das Geheimnis des Gutachters. Eine Begründung für diese aus schlafmedizinischer Sicht absurde Bewertung des nächtlichen Bodenlärms fehlt. 

Als nächtlicher Immissionsgrenzwert sollte sowohl ein geeignetes Maximalpegelkriterium als auch ein geeignetes Dauerschallpegelkriterium angegeben werden (Doppelkriterium), die beide auf den Schutz des Schlafes abgestellt sind. 

Für den nächtlichen Bodenlärm wird ein äquivalenter Dauerschallpegel von LAeq = 35 dB(A) am Ohr der schlafenden Person (Immissionspegel) gefordert. 

Für den nächtlichen Bodenlärm wird ein maximaler Kurzzeit-Mittelungspegel von LAmax = 45 dB(A) am Ohr der schlafenden Personen (Immissionspegel) gefordert. 

 

Kombinationswirkungen

 

Folgen wir den Ausführungen des Gutachters, so ist die Beurteilung der Gesamtlärmbelastung nicht angebracht, weil die Wirkung der einzelnen Lärmquellen unterschiedlich ist und die Wirkung nicht allein durch die akustischen Belastungsgrößen bestimmt ist. 

Dem Gutachter ist insoweit zu folgen, dass es bei dem heutigen Kenntnisstand der Lärmwirkungsforschung schwierig ist, die Auswirkung von kombinierten Lärmbelastungen korrekt zu bestimmen. Über die Notwendigkeit, die Gesamtlärmbelastung zu bewerten, bestehen jedoch keine Zweifel. 

Für ein lärmmedizinisches Gutachten ist die Beurteilung der Gesamtlärmbelastung unerlässlich, auch wenn noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. 

Werden die vorliegenden lärmmedizinischen Gutachten den Anforderungen eines Planfeststellungsverfahrens gerecht?

Die Anforderungen, denen ein Gutachten in einem öffentlich–rechtlichen Verwaltungsverfahren zu genügen hat, sind erstens an den Anforderungen zu orientieren, die an gerichtliche Sachverständigengutachten gestellt werden. 

Das Bundes-Verwaltungsgericht [BverwG 1992] formuliert in seinen Leitsätzen vom 26.6.92 (Beschluß) Kriterien für die Verwertung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (4B1 11/92-NVwZ 1993, 572). 

„Die Verwertung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist unzulässig, wenn 
erstens – das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, wenn 
zweitens – das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn 
drittens – der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, wenn 
viertens – sich durch neuen, entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert, wenn
fünftens – ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt oder wenn 
sechstens – das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird.“
 

Zweitens ist ein Gutachten in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren an den Regeln zu messen, die zur Anfertigung von wissenschaftlichen Publikationen einzuhalten sind und als „gute wissenschaftliche Praxis“ bezeichnet werden. Dazu gehören die folgenden Sorgfaltspflichten: 

  • Wissenschaftliche Arbeiten müssen das Problem erkennbar formulieren und fehlerfrei präzisieren.
  • Wissenschaftliche Arbeiten und Untersuchungsberichte müssen für die Adressaten inhaltlich nachvollziehbar sein.
  • Die relevante Literatur muß in einer wissenschaftlichen Arbeit ausgewogen zitiert und dargestellt werden.
  • Durch konkrete, vollständige und eindeutige Darstellung sind Fehlinterpretationen zu vermeiden.
  • Eine kritische Haltung zur eigenen Arbeit bzw. Denkweise ist Voraussetzung für ein gegenstandsangemessenes wissenschaftliches Arbeiten.

Wird dieser Maßstab an die vorliegenden lärmmedizinischen Gutachten M8 und M9 angelegt, so ist deren Verwertung nicht zulässig.. Der Gutachter geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus (...) und lässt die notwendige akustische Sachkunde vermissen (...). Die chronobiologischen Ausführungen sind unsachlich und lassen mangelnde Literaturkenntnis erkennen (...).  

Es bestehen erhebliche Zweifel an einer unparteilichen und einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung, da nur ein sehr kleiner Teil der (neueren) Fachliteratur in die Gutachten einbezogen wurde und die Auswahlkriterien dafür nicht dokumentiert sind. 

Empfehlung für die Planfeststellung 

Die Gutachten M8 und M9 „Ausbau Flughafen Schönefeld“ werden den Anforderungen eines Planfeststellungsverfahrens nicht gerecht. Es ist ein neues lärmmedizinisches Gutachten einzuholen.

  


Weitere Informationen demnächst hier.